Wie immer im Leben entsteht unsere Realität im Kopf. 2020 war für viele Menschen ein eindrucksvolles Jahr. Seit dem Ende des 2. Weltkrieges haben wenige in Mitteleuropa lebende Menschen je sowas wie „Krise“ am eigenen Leib empfunden. Vom Toilettenpapier hamstern bis sich wochenlang nur online mit Menschen zu unterhalten bis zu grosser Angst vor Infektion gab es die ganze Bandbreite. Ausgangssperren, Beschränkungen der persönlichen Freiheit, Demonstrationsverbote, geschlossene Geschäfte und Gastwirtschaften – der gewohnte Lebensrhythmus war plötzlich unterbrochen, die Abhängigkeit von einem globalen Wirtschaftssystem, von Expertenmeinungen und Politikerentscheidungen veränderte das Alltagsleben aller. Leider bringen Krisen auch immer persönliche Charaktereigenschaften zum Vorschein und so entstand ein wildes Hick-Hack zwischen den Lagern. Während die einen auf „Solidarität“ pochten, sahen die anderen nur devote Sklaven des Staates um sich. „Verschwörungstheoretiker, Aluhutträger, Befehlsempänger“ und dergleichen mehr nannte man sich gegenseitig. Doch die Wahrheit ist: alle hatten irgendwie Angst. Angst, dass der gemütliche Wohlstand ein Ende nehmen könnte, dass ein Virus oder aber die Entwickler des Impfstoffes die Menschheit ausrotten könnte, dass die Demokratie am Fallen ist, dass wir schon viel zu lange unsere Augen verschlossen hatten und mit Vollgas auf den Abgrund zurasen.

Nun, auch wenn die Länder ihre Grenzen überwiegend geschlossen haben, jedes Land seine eigenen Massnahmen festlegte, der internationale Druck auf die Regierungen war doch so stark, dass sich keine Regierung traute, wirklich aus der Reihe zu tanzen. Keine regionale Krise, sondern eine globale. Und so gab es selbstverständlich auch in Rumänien Ausgangssperren, Lockdowns, Maskenpflicht, Impfaufrufe und Reisebeschränkungen. Wie überall litten die Menschen in den Städten am meisten darunter. Hier am Dorf, irgendwo in der Provinz, verging die Hysterie schnell wieder. Bis auf ein paar wenige Besucher aus Städten hielt sich niemand an Maskenpflicht, Abstandsregeln und dergleichen. Das Leben am Dorf ging seinen gewohnten Gang, Häuser wurden renoviert, Gärten bearbeitet, Heu gemacht und die Tiere gefüttert und gemolken. Einzig: Touristen sah man deutlich weniger als in den Jahren zuvor.

Für mich persönlich brachte das Jahr 2020 die lang ersehnte Erholungspause. Nach 20 Jahren, die ich im Tourismus tätig war, jeden Sommer auf Hochtouren und unter enormem Zeitdruck stehend, kam mir ein ruhiges Jahr gerade Recht. Zugegeben: das Bankkonto hat deutlich gestöhnt, dafür gewann ich aber etwas, das mit Geld nicht aufzuwiegen ist: Zeit für mich, meine Projekte, meine Tiere. Und diese habe ich bestmöglich genutzt: der Gemüsegarten wurde erst mal deutlich erweitert, ich liess einen traditionellen Brotbackofen bauen, ich habe Zäune gebaut und repariert, mir eine Holzwerkstatt eingerichtet und reichlich Heu gemacht. Da die Obsternte 2020 sehr gut ausgefallen war, konnte ich hier auch ein kleines Einkommen erwirtschaften.

Seit Ende Mai 2021 sind nun die Grenzen für Österreicher und Deutsche uneingeschränkt geöffnet. Man muss weder einen PCR Test vorzeigen, noch eine Impfung oder sich gar in Quarantäne begeben. Noch scheinen viele Menschen unentschlossen, aber die Zahl der Anfragen für massgeschneiderte Reisen in Rumänien nimmt wieder deutlich zu. Voraussichtlich wird die Reisebereitschaft in diesem Jahr noch hinter den Vorjahren zurück liegen, aber das ist auch gut so. Als ich Rumänien kennen lernte, nannte ich mein Programm „Natur- und Kulturreisen für Menschen mit Entdeckergeist“. Und Rumänien ist immer noch ein Land für Entdecker, kein Land für Massentourismus. Möchte man das Besondere des Karpatenlandes entdecken, muss man zwei Dinge mitbringen: 1. Zeit, 2. Offenheit und Toleranz. Jahrzehnte Kommunismus haben ihre Spuren hinterlassen, dazu kommt eine „balkanische Mentalität“ und so wird Rumänien wohl immer „nicht perfekt“ bleiben. Für zu sehr wohlstandsverwöhnte Menschen ist das nichts.

Wir wollen hoffen, dass den Regierungen nicht neue Massnahmen einfallen werden, das Leben sich weiter normalisieren wird und wenigstens einige eine Lektion aus dieser Krise mitgenommen haben: besser, schneller, weiter führt uns in eine Sackgasse. Oft ist weniger mehr und so widme ich mein Leben weiterhin einer bescheidenen und bodenständigen Lebensweise, wie sie für viele Generationen normal und gesund war. Für mich war diese Pandemie nur eine weitere Bestätigung dafür, dass wir den Komfort des „modernen“ Lebens mit Abhängigkeit, Unfreiheit und mentalen und körperlichen Auswirkungen auf unsere Gesundheit bezahlen. Ein Schritt rückwärts schadet vielleicht nicht…