Seit über 20 Jahren organisiere ich nun schon Reisen in Rumänien und seit 15 Jahren vermiete ich auch Gästehäuser. Wie die Zeit vergeht…
Jetzt, im Winter, ist die Zeit der Kundenanfragen und Angebote. Es scheint, dass nach ein paar mageren Jahren – aufgrund von Pandemie und Kriegsangst – in der kommenden Saison wieder mehr Gäste aus dem Ausland Rumänien besuchen werden. Das ist erfreulich, aber für mich auch Anlass, darüber nachzudenken, ob meine ursprüngliche Idee noch Gültigkeit hat. Im Jahr 2000 hatte ich Rumänien ja erstmals im Rahmen von Hilfslieferungen besucht, schnell gesehen, dass wir hier manchmal mehr Schaden anrichteten als wirklich Hilfe zu leisten und dann nach einer sinnvollen Alternative gesucht, das Land – und vor allem seine Bewohner – bei ihrem Weg aus der kommunistischen Ära positiv zu unterstützen.

In den ersten Jahren war es sehr schwierig, in Rumänien die Basisdienstleistungen im Tourismus zu finden bzw. in der von erfahrenen Reisenden gewünschten Qualität. Überbuchungen, mangelnde Sauberkeit oder Zimmerausstattung, unerfahrene Tourguides, desolate Transportfahrzeuge – all das war an der Tagesordnung. Dazu waren offenbar viele Besitzer von neu errichteten Pensionen nie im Ausland gewesen und der Stil war oft sehr gewöhnungsbedürftig – entweder völlig überladen oder eben viel zu spartanisch eingerichtete Zimmer in schnell hochgezogenen neuen Pensionen. Mit meinem Projekt „Casa in Natura“ hatte ich dann über viele Jahre versucht, hier einzuwirken. Das erste alte Bauernhäuschen, das ich in Cund erworben und mit eigenen Händen renoviert habe, sollte ein Musterobjekt werden – zur Nachahmung durch andere Hausbesitzer empfohlen.

Mittlerweile sind in Rumänien zahlreiche sehr schöne Unterkünfte entstanden – oftmals unter enormem finanziellem Einsatz. Von der Eco-Lodge bis zum 5 Sterne Hotel in einem kleinen Dorf finden Reisende mittlerweile eine grosse Auswahl. Auch die Reisenden haben sich sehr verändert. Waren in den ersten Jahren eher Rucksacktouristen – Menschen mit Entdeckergeist – diejenigen, für die ich Touren organisierte, so ist es heute eher der Vielgereiste der oberen Mittelschicht. Und entsprechend stiegen natürlich auch die Ansprüche. Für mich ist es immer noch ein Spagat, zwischen den Wünschen der Kunden und der Mentalität der Dienstleister eine für alle zufriedenstellende Lösung zu konzipieren. Mein typischer Kunde ist durchaus ökologisch gebildet und der typische Ballermann-Kunde denkt gar nicht daran, nach Rumänien zu reisen.

Dennoch gibt es immer noch ein grosses Verständnisproblem zwischen den Welten. Für einen Grossstadtdeutschen sind manche Dinge selbstverständlich, die bei Rumänen oft nur ein Staunen erwecken – wie z.B. Mülltrennung, vegetarische oder vegane Verpflegung, freiwillig Rad zu fahren… Umgekehrt verstehen viele Reisende aus dem Westen das „reale“ Leben nicht mehr so wirklich. Als Beispiel möchte ich die Wasserversorgung der Gästehäuser oder das Heizen mit traditionellen Holzöfen nennen. Auf meinen Hinweis, dass die Wasserversorgung vom hauseigenen Brunnen kommt und dieser – vor allem nach längeren Trockenperioden – nur sehr wenig Wasser täglich liefert, antworten die Gäste meist mit „wir sind daran gewöhnt, nicht Wasser zu verschwenden“. Was aber nicht heisst, dass man nicht täglich mindestens einmal duschen möchte und bei einer vierköpfigen Familie von dieser Menge die Eselherde gut drei Tage mit Trinkwasser versorgt werden könnte. Auch das Heizen in Holzöfen scheint vielen erst romantisch, später entdeckt man  aber doch, dass es mühsam ist, täglich die Asche raus zu tragen und dass manche Feuer einfach nicht brennen wollen – sei es wegen des Luftdrucks an diesem Tag, weil Vögel ein Nest in den Schornstein gebaut haben oder eben weil die Kunden diese Aufgabe nur von Pinterest kennen. Ich hatte auch schon Leute, die fuhren zur nächsten Tankstelle (immerhin 30 min. Fahrt!), um sich verpacktes Anmachholz und Anzünder zu kaufen. Nun ja, aus Erfahrung lernt man und ich bemühe mich, es den Leuten einfach zu machen.

Nachhaltigkeit hat für mich aber auch sehr viel mit Respekt zu tun. Oft sind Reisende so verwöhnt, dass sie vergessen, dass sie nicht Berlin bereisen sondern eben ein Land, das mit viel Verspätung begann, auf die „Vorzüge der Konsumgesellschaft“ aufzuholen. Meist bekommt der Reisende davon gar nichts mit, aber seit 20 Jahren versuche ich, meinen Kollegen und Dienstleistern im Land die Erwartungen und Gewohnheiten der Reisenden aus dem Westen zu erklären. Ich bin nicht der Meinung, dass man in jedem Dorfladen Hafermilch bekommen muss und dass jedes Gästehaus auch eine Karte für Vegetarier anzubieten hat. Nachhaltig zu reisen bedeutet für mich eben auch, mal im Urlaub auf Gewohnheiten zu verzichten, zu verstehen, dass hauptsächlich der Reisende sich ans Land anzupassen hat, weil wenn es umgekehrt passiert, gäbe es bald keinen Grund mehr, Rumänien zu besuchen. Denn dann wird alles gleich sein. Und in den Städten sehe ich diese Entwicklung teilweise mit Sorge bereits – aus den Zentren verschwinden die kleinen Läden, der Bäcker, der Uhrmacher, der Glaser und es gibt nur noch Banken, Cafés und Eisdielen. Stimmt: Spielhallen sind auch noch manchmal darunter.

Für mich als ehemaliger Pionier im rumänischen Ökotourismus, stellt sich auch immer die Frage: wieviel Tourismus verträgt Rumänien? Wenn alle Berge von ATV-Fahrern, Skitourengehern und im Sommer Mountainbikern erobert werden, wohin soll sich die Natur zurück ziehen? Darf man wirklich in jedes noch so entlegene Tal eine Pension bauen, Skipisten in den Bergen oder Paintball-Spielplätze? Ja, weiter noch: wieviel Tourismus verträgt ein Dorf wie Cund mit knapp 150 Einwohnern und über 80 Gästebetten? Wann werden Pferdewagenfahrten, Eselwanderungen oder Trüffeljagden zur reinen Folklore? Eben, weil es den Gästen gefällt und sie gutes Geld bringen. Und ganz persönlich stelle ich mir wiederholt die Frage: wieviel meiner Zeit will ich für zahlende Gäste einsetzen? Wie häufig die Gästehäuser putzen, das Gras mähen, die Bettwäsche waschen und bügeln und Abendessen kochen? Wann verliere ich dabei meine eigene Lebensqualität?

Nun, ich finde es schön, dass sich in Rumänien Tourismus entwickelt hat und auch viele Gäste aus dem Ausland kommen. Als ich vor über 20 Jahren diese Idee meinen Freunden in Österreich präsentierte, hielten sie mich lachend für verrückt. „Wer soll da hin wollen?“. Vieles hat sich verändert, vieles wird sich weiter verändern. Um in Rumänien gut leben zu können, sind Devisen aus dem Ausland sehr hilfreich, umgekehrt finde ich es sehr lehrreich, Menschen aus den Wohlstandsländern auch ein „anderes Leben“ zeigen zu können. Jenseits von Konsum und Zeitdruck. Ganz sicher macht Geld nicht glücklich, Gäste, mit denen die Chemie stimmt und die voller Eindrücke wieder abreisen, schon eher. In jedem Fall werde ich weiterhin ein wachsames Auge auf die Entwicklungen im Land, die Menschen, die ich gerne hier als zahlende Besucher sehen möchte und meine eigene Rolle in dieser Entwicklung haben. Ich hoffe auf viele (aber nicht zu viele) nette, tolerante, interessierte, offene und kommunikationsfreudige Besucher in diesem Jahr.

 

Die Idee entstand bei einem Kaffee. Glücklicherweise fand ich in meiner Wahlheimat Cund – ein Dorf im Herzen des ehemaligen Siebenbürgens mit knapp 200 Seelen – Freunde mit Ideen und Visionen. Cund hat sich in den letzten 35 Jahren von einem aussterbenden Dorf zu einer bekannten touristischen Destination innerhalb Rumäniens gemausert. Gehörten einst 100 % der Dorfbewohner der deutschen Minderheit an, wechselte die Geschichte, erst während des kommunistischen Regimes und später durch den Exodus der Siebenbürger Sachsen die Zukunft. Heute leben in Cund Rumänen, Ungarn, Roma, Deutsche und ein Österreicher. Die „Urbewohner“ – die Nachkommen der siebenbürgisch-sächsischen Bevölkerungsgruppe, die das Dorf gegründet und über Jahrhunderte bewohnt haben – kommen nur noch in den Ferien zu Besuch.

In diesem „Vakuum“ entstand eine kleine Gemeinschaft, die unterschiedlicher nicht sein könnte und der jede gemeinsame Tradition fehlt. Wir – sprich: mein Freund Istvan und ich – wollten mit dem 1. Weihnachtsmarkt bewusst ein Zeichen setzen, dass 1. ein Miteinander für alle Dorfbewohner Vorteile bringt und 2. dass das Leben in Cund – vor allem für die Jüngsten – nicht nur gähnende Langeweile bedeutet, sondern mit ein wenig persönlichem Engagement auch Highlights möglich sind.

Eine Sache, die alle Menschen verbindet, ist wohl, Feste zu feiern. Tratschen, essen, trinken, sich sehen und gesehen werden.

Am letzten Wochenende vor Weihnachten 2022 fand also unser erster Cund’scher ländlicher Weihnachtsmarkt statt. Die Location könnte nicht passender sein: das ehemalige Pfarrhaus wurde von deutschen Investoren zu einem noblen Gästehaus umgebaut und die dazu gehörige alte Scheune neu aufgebaut. Es fiel nicht schwer, die neuen Besitzer zu überzeugen, uns diesen Platz für das Event zur Verfügung zu stellen.
Die zahlreichen Besucher erwarteten handgefertigte Dekoartikel, Liköre, Schnäpse, Kekse und anderes Weihnachtsgebäck, Essen, Trinken, Weihnachtslieder der Kinder unserer kleinen Dorfschule, wärmende Feuer, Punsch und Glühwein. Auch ein in Rumänien bekannter Sänger konnte dazu gewonnen werden, Weihnachtslieder in Rumänisch, Ungarisch und Deutsch zum Vortrag zu bringen und ich denke, dass nicht nur die Dorfbewohner, als auch die von auswärts angereisten Besucher eine gute Zeit hatten.
Selbst das Rumänische Fernsehen war zu Besuch und berichtete von unserer Initiative mit gutem Zweck – ein Teil des Umsatzes wurde für die lokale Schule gespendet.

Selbstverständlich wollen wir die Aktivitäten fortsetzen und von unserem kleinen Dorf „jenseits der Wälder“ aus zeigen, wie ein Miteinander uns alle in eine hoffnungsvolle Zukunft führen kann.

Sie möchten gerne unsere Aktivitäten unterstützen? Hier finden Sie mehr Informationen.