Leben und Natur wirtschaftet nachhaltig ohne dass man es sie lehren muss. Auch der Mensch fühlte sind über hundertausende Jahre als Teil des natürlichen Kreislaufes. Wir nahmen aus unserer Umgebung nur so viel, wie wir zum Überleben brauchten und durch unser Nomadendasein war auch die Geburtenrate natürlich begrenzt. Erst in der Veränderung der Sesshaftwerdung – die sogenannte neolithische Revolution vor etwa 12.000 Jahren ausgehend von Vorderasien – begann der Mensch, sich von der Natur abzugrenzen. Wir fanden heraus, dass das Kultivieren von Wildpflanzen und das Domestizieren von Wildtieren uns mehr Nahrung und somit ein leichteres Leben bescheren würde als das als Jäger und Sammler. Es klingt fast wie ein Märchen.

Gleichzeitig mit einem starken Anstieg der Bevölkerungszahl gab es aber auch Überraschungen der unangenehmen Art. Skelettfunde aus dieser Zeit belegen, dass die Körpergröße der Menschen in dieser Phase deutlich abnahm, was Rückschlüsse auf ihren Ernährungsstatus zulässt. Auch sank die Lebenserwartung signifikant. Nachweislich erkrankten wesentlich mehr Menschen als vorher, vor allem an Infektionen.

Durch die stärkere Vermehrung des Menschen kam es aber auch erstmals zu Konfliktsituationen mit benachbarten Gruppen, es entstanden Kriege, Neid, Missgunst. Wenn die Nahrungsquelle wegen Wetterveränderung oder Dürre versiegte, konnte man nicht mehr einfach weiter ziehen – wie es die Nomaden machten – man musste sich die Resourcen erobern.

Das Weltbild der Menschen veränderte sich wohl auch in dieser Periode, war man vorher Teil des natürlichen Kreislaufes, gebar man nun die Idee, dass der Mensch über dem Rest der Natur stünde und darauf ist wohl auch das Bibelzitat „macht Euch die Erde untertan“ zurück zu führen.

Über Jahrtausende funktionierte auch diese Lebensweise – so recht und schlecht. Kriege und Seuchen dezimierten immer wieder die stark wachsenden Stämme, die schliesslich zu Völker anwuchsen. Diese bekriegten sich häufig, eroberten neuen Lebensraum, den man beständig auszudehnen versuchte. Der eigene Kontinent gab bald nicht mehr genügend Raum für permanentes Wachstum und so überquerte man die Meere, um neue Länder mit schier unbegrenztem Resourcenreichtum zu erobern. Im Umgang mit den dort lebenden Menschen und Wildtieren war man dabei nie zimperlich. Genozide gab es nicht erst in der Nazi-Herrschaft, schon lange zuvor waren die Europäer Experten darin.

Eine nächste Wende in der Menschheitsgeschichte brachte die Entdeckung, dass man im Erdmantel konservierte Sonnenenergie in Form fossiler Brennstoffe als Energiequelle nutzen kann. Interessanterweise war der Ursprung dieser Entwicklung eine „grüne“ Idee. Im England des frühen 19. Jahrhunderts waren die Wälder grösstenteils abgeholzt. Um eine weitere Entforstung zu verhindert, entstand die Idee, Steinkohle aus der Erde zu fördern. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ kommt auch aus der Forstwirtschaft. Er bedeutet, nicht mehr aus einem System – Wald in diesem Fall – zu nehmen, als es sich natürlich regenerieren kann.

Erst mit der Ausbeutung von Kohle, später noch rasanter mit der Förderung von Erdöl, hat der Mensch diese Idee endgültig ad acta gelegt. Kostenlose Energie, die scheinbar endlos vorhanden war und nur darauf wartete, dass der Mensch sie fördert und nutzt, schien einfach zu verlockend. Grenzenloses Wachstum schien plötzlich real möglich zu sein und in den letzten 200 Jahren ermöglichte dies ein explosionsartiges Ansteigen der Weltbevölkerung, bequemeres Leben für viele von ihnen und „macht Euch die Erde untertan“ wurde plötzlich zum „überschwemmt den Planeten, beutet ihn gnadenlos aus, rottet jedes Leben aus, ausser das, das Euch als Nahrungsquelle dient, und macht euch auch die Götter untertan“.

Nun, nachdem Wissenschaftler seit fast 100 Jahren warnen, dass dies alles auch seine negativen Nebeneffekte hat, wurde auch die breite Bevölkerung in den letzten paar Jahren darauf aufmerksam, dass der Mensch das Klima verändert, sich Naturkatastrophen mehren, die Luft, das Wasser, der Boden, die Nahrungsmittelgewinnung, der Abbau von Erzen, die Förderung und der Transport von Öl, Gas, Gestein nicht nur viele andere Spezies beeinträchtigen und ausrotten, sondern letztlich – möglicherweise – auch uns selbst.

Der Druck auf Politiker steigt. Nachdem „grüne“ Parteien über viele Jahre eher ein Schattendasein in der Opposition fristeten – unterstützt nur von ein paar Aussenseitern der Gesellschaft – wurde „nachhaltig“ jetzt zum Mainstream.

Nun, was bedeutet „nachhaltig leben“ eigentlich? Nachhaltigkeit bedeutet lt. Wikipedia Definition, ein Handlungsprinzip, das eine dauerhafte Bedürfnisbefriedigung gewährleistet. Das englische Wort „to sustain“ bedeutet übersetzt „ertragen“. Mit anderen Worten: nachhaltig zu wirtschaften und leben heisst nichts anderes, als dass wir Menschen weiter machen können wie gewohnt, nur sollen wir den Bogen nicht überspannen. So lange das Ökosystem des Planeten nicht zusammen bricht, ist alles im Lot. Und dafür werden Gesetze erlassen, Steuern eingeführt, die Energienutzung verteuert, technische Lösungen gesucht. Wenn Ihr mich fragt, das Meiste davon ist Augenauswischerei und zielt lediglich darauf ab, dass der Einzelne sich weniger schuldig fühlt.

Wenn Du in einer europäischen Grossstadt lebst, die Kinder mit dem SUV zur Schule fährst – auch wenn er hybriden Antrieb hat – keinen Beitrag zur Lebensmittelherstellung leistest sondern dein beruflicher Alltag dazu beiträgt, weitere Resourcen zu verbraten – egal ob nun als Architekt, Ingenieur, Strassenbauarbeiter oder Reinigungskraft in einem Bürohochhaus – dann ist Dein Leben nicht nachhaltig. Und wenn Du mal bei einer Urlaubsreise auf das Flugzeug verzichtest und brav täglich Deinen Müll trennst, dann ist das immer noch ein exzessives Konsumverhalten und sichert nicht den Fortbestand des ökologischen Gleichgewichts des Planeten. Er wird es schon ertragen! Müssen.

Es ist richtig, in den westlichen Industrieländern hat sich einiges zum Guten gewendet, heute gehört es zur Selbstverständlichkeit, Müll zu trennen, in Bio-Märkten einzukaufen, den alten russenden Diesel gegen ein Elektroauto zu tauschen und auch mal Fahrrad zu fahren. Aber selbst wenn man davon ausginge, dass das alle tun – weltweit gibt es Milliarden Menschen, die erst mal auf unseren Standard – auf ein Leben in Luxus – kommen möchten. Milliarden Menschen in China, Indien, Afrika können sich diesen Luxus gar nicht leisten, über ein nachhaltiges Leben nachzudenken. Sie würden gerne erst mal trinkbares Wasser, Gesundheit für ihre Familien, genügend nahrhaftes Essen und die Möglichkeit, mobil zu sein, erreichen wollen. Und unsere Produktionsgesellschaft bietet ihnen das auch. Sie brauchen nur Geld zu haben.

Ich selbst bin in einem reichen Land aufgewachsen – in Österreich, gerade in den Jahrzehnten, als – nach den Notjahren des ersten und zweiten Weltkrieges, nach Jahren von Wirtschaftskrisen und Hungersnöten – alles möglich war. Die Vorteile der freien Wirtschaft waren uns allen zugänglich und so lernten wir, unsere Bedürfnisse immer höher zu schrauben. Jeder meiner Freunde besitzt heute ein Eigenheim, jeder Haushalt mindestens zwei Autos, Fernseher, Computer, Freizeitspielsachen und hat die Welt bereist. Einige haben sich auch in sozialen Projekten engagiert oder spenden an Greenpeace oder eine NGO zur Tierrettung.

Dass nachhaltig leben aber vor allem „freiwillig verzichten“ bedeutet, nämlich nicht so viele Resourcen zu nutzen, wie das möglich ist, wird wohl kein Politiker – der es ohnehin nicht so meint – diesen Menschen, die sich so sehr an grenzenlosen Wohlstand gewöhnt haben, beibringen können.

Hier in Siebenbürgen, das ich vor 15 Jahren zu meiner Wahlheimat gemacht habe, hatten die deutschen Siedler, die im Mittelalter hier ankamen und 7, 800 Jahre hier lebten und wirtschafteten – die sogenannten Siebenbürger Sachsen – das Prinzip von Nachhaltigkeit täglich gelebt. Es gab sehr strenge Regeln in den kleinen Gemeinschaften, z.B. durfte aus den Eichenwäldern jährlich nur eine bestimmte Menge an Bäumen als Bauholz gefällt werden, damit auch für die kommende Generation genügend zur Verfügung stehen soll. Als Baumaterial wurden fast ausschliesslich regionale Resourcen genutzt – in waldreichen Gegenden war das eben Holz, anderswo Lehm, aus dem man Ziegel brannte. Auch die Dächer wurden mit Stroh, später Holzschindeln oder gebrannten Lehmziegel gedeckt. Ein solches siebenbürgisches Bauernhaus ist zu 100 % recyclebar oder die Natur nimmt es einfach zurück, wenn die Besitzer es verlassen.

Die Siebenbürger Sachsen sind zum grössten Teil ausgewandert. Viele von ihnen leben heute in Deutschland oder im Rest der Welt, arbeiten in der Autoindustrie oder eben sonst, wo das Geld leichter zu verdienen ist als in der Kleinlandwirtschaft. Erst hat das kommunistische Regime das Land und seine Resourcen ausgebeutet, aber es war wenig effizient. Viel effizienter kann das die freie Marktwirtschaft, die nach der rumänischen Revolution hier alles an sich riss. Das Erdöl, die Banken, die Industrie, der Handel – fast alles ist nun in westlicher Hand und wird dementsprechend effizient genutzt. Nicht mal die rumänischen riesigen Urwälder haben der kapitalistischen Gier Stand gehalten. Dank korrupter Politiker, Förster und Polizisten wurden grosse Teile der Wälder in nur 30 Jahren abgeholzt, mit legalen Papieren versehen und ins Ausland befördert oder hier zu Holzpellets geschreddert.
Im Gegenzug erhält Rumänien EU-Fördergelder, die vor allem Infrastrukturprojekte vorantreiben und industrielle Landwirtschaft begünstigt. Das Ganze läuft auch noch unter dem Decknamen „solidarische Unterstützung“.

Ich selbst, der sich schon in seiner Jugendzeit Gedanken über alternative Lebensformen gemacht hat – und dazu habe ich ein 300 Jahre altes hölzernes Bauernhaus in Österreich renoviert, einen Gemüsegarten angelegt und mich in Tierhaltung versucht – habe hier im siebenbürgischen Dorf noch Kleinlandwirtschaft vorgefunden, wo das Prinzip des nachhaltigen Wirtschaftens noch gelebt wurde. Nach und nach wird diese nun auch von industrieller Landwirtschaft verdrängt – Boden ist in Rumänien immer noch verhältnismässig günstig – und auch die Menschen machen sich freiwillig immer abhängiger von Banken, Arbeitgebern im Ausland, Supermärkten, Freizeitindustrie und Konsum.
Es gibt hier wie dort auch Gegenbewegungen, aber die Lobbies der Grosskonzerne sind wohl übermächtig und so werde ich Zeitzeuge, wie ein weiterer Teil Europas der menschlichen Gier zum Opfer fällt. Noch gibt es hier in Rumänien Flecken mit relativ intaktem Ökosystem, weite Landschaften, in dem das Wildleben noch funktionieren darf und Dörfer, die mehr dem ursprünglichen Leben verbunden sind als der modernen Konsumgesellschaft. Aber ganz eindeutig ist es ein sterbendes Paradies.

Eine Kehrtwendung kann ich nicht erkennen, vielmehr sehe ich nur „Grünmalerei“ und wie die Menschen sich gerne selbst betrügen, nur um ja kein schlechtes Gewissen haben zu müssen. WIR denken ja nachhaltig!

Wir nutzen „erneuerbare“ Energie – aber auch Solarkraftwerke und Windräder verbrauchen Resourcen, wir fahren Elektroautos – aber auch die Herstellung dieser und vor allem der Batterien verbrauchen begrenzte Resourcen, nicht zu sprechen von den Entsorgungskosten des alten Fahrzeugs, wir trennen Müll – aber diese unglaublich grossen Mengen täglich, die der Konsummensch erzeugt, müssen transportiert, verbrannt, ins Ausland verschifft – oder im besten Fall recycled werden. Wir kaufen beim Bio-Bauern oder im Bio-Markt, aber auch das bedeutet Transport, Kühlung, normgerechte Verarbeitungsbetriebe und Labeling. Wir reisen nachhaltig – aber jede Reise verbraucht Resourcen, die zum Überleben nicht nötig sind. Wir sind froh, dass „nachhaltig“ endlich trendy wurde, denn vorher war man mit solchen Ideen ja eher als Aussenseiter belächelt.

Nur: all diese kosmetischen Massnahmen werden nichts an der Tatsache ändern, dass der Mensch seine eigene Überlebensgrundlagen zerstört und gleichzeitig damit auch die tausender anderer Spezies, denen man Nachhaltigkeit nicht lehren muss, für die es das seit Millionen Jahre geltende Prinzip von Leben auf diesem Planet ist. Ein Ende ist nicht in Sicht.